Beitrag von unserem Mitglied Sylvia Kreutz
Bei den Ureinwohnern Alaskas gilt der Wolf als mutiger, weiser Bruder und als Symbol der Schöpfung. Bei uns hingegen ist er heute bekannt als hinterlistige und gefräßige Gestalt aus Rotkäppchen und anderen Märchen.
Foto: (c) by Saskia Wend, www.pixelio.de
Dabei herrschte doch ursprünglich auch im europäischen Raum ein positiv geprägtes Wolfsbild: In der germanischen Mythologie begleiteten immerhin zwei Wölfe Odin als Zeichen für Tapferkeit, Macht und Ruhm. Und auch die Gründung Roms geht auf die Sage von Romulus und Remus zurück, die von einer Wölfin gesäugt wurden. Noch heute gilt der Wolf deshalb in Italien als Symbol für Mutterliebe und Opferbereitschaft.
Im Mittelalter jedoch wendete sich das Image des Wolfes. Er wurde verteufelt und in die Zeit der Inquisition fiel auch der Werwolfsglaube.
Und dieses negative Image – ausgedrückt noch heute in Märchen und Mythen, in denen er das Böse an sich und die bei vielen Menschen tief verwurzelte Angst vor dem dunklen Wald verkörpert, haftet noch heute an dem scheuen Wildtier. Dabei meidet es den Menschen nach Möglichkeit – gehört dieser einfach nicht in sein Beutespektrum.
Doch die Menschen beginnen, sich wieder mit Isegrim auseinander zu setzen, denn es gibt sie wieder – freilebende Wölfe in Deutschland.
Foto: (c) by Uschi Dreiucker, www.pixelio.de
Seit etwa 10 Jahren werden - vorwiegend in Brandenburg und Sachsen - wieder Welpen in Freiheit geboren und aufgezogen, nachdem der Bestand in Deutschland etwa 150 Jahre lang erloschen war – das Ergebnis einer systematischen Ausrottung durch groß angelegte Treibjagden und andere Maßnahmen, wie das Anlegen von Wolfsgruben.
Eine Wolfsgrube war eine etwa drei Meter breite und entsprechend tiefe Grube, die mit Reisig abgedeckt wurde. Für den Wolf erkennbar wurde ein Pfahl mit einem Fleischstück in der Mitte eingebaut. Die Grube erhielt einen Zaun, den der Wolf in seiner Gier nach dem Fleisch überspringen musste. Er stürzte dabei in die Grube hinein, gelangte nicht mehr ohne Hilfe hinaus und konnte vom Menschen vom Grubenrand aus getötet werden.
Die Wölfe kehrten wieder nach Deutschland zurück – sie kennen keine Landesgrenzen.
Zunächst ließen sich polnische Wölfe hinter der Grenze auf einem Truppenübungsplatz in Sachsen nieder. Hier hatten sie – abgesehen von wenigen Übungen im Jahr – ihre Ruhe und fanden genügend Wild, um leben zu können. Mittlerweile leben wieder ca. ein dutzend Wolfsrudel in Deutschland, vor allem in der brandenburgisch-sächsischen Lausitz. Die scheuen Wölfe weichen dem Menschen jedoch in der Regel aus und zudem sind sie meist früh morgens oder spät abends unterwegs – deshalb finden Begegnungen mit dem Menschen eher selten statt. Trotzdem erweisen sich die Tiere als erstaunlich anpassungsfähig. Sie können lernen, sich in Kulturlandschaften einzufinden. Allerdings wird ihnen dabei das dichte Straßennetz manchmal zum Verhängnis.
Der Bestand breitet sich langsam aus. In den vergangenen Jahren waren wieder einzelne Wölfe auf Reviersuche auch in Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern anzutreffen. Es sind in der Regel Jungtiere, die sich aufmachen, ein eigenes Revier zu finden und einen Partner, mit dem sie ein eigenes Rudel gründen können. Ein Wolfsrudel entspricht einer Kleinfamilie. Es besteht aus den Eltern und den Nachkommen der letzten zwei Jahre. Der Nachwuchs bleibt solange bei den Eltern, bis er das Bedürfnis nach Eigenständigkeit verspürt. Dies kann bereits mit 11 oder erst mit 24 Monaten erfolgen - oder auch noch später.
Anders als bei in Tierparks oder Zoos gehaltenen Wölfen gibt es in der freien Natur keine umkämpfte Rangordnung mit Alpha und Omegawölfen. Die Eltern werden ganz einfach als natürliche Autorität vom Nachwuchs respektiert.
Sind die Jungtiere also herangewachsen, verlassen sie ihre Ursprungsfamilie und gehen auf Wanderschaft. Manche siedeln sich schon in unmittelbarer Nachbarschaft an, andere wandern viele hundert Kilometer weit – auf der Suche nach einem eigenen Territorium und einem passenden Partner.
Verirrt sich dabei ein junger Wolf in ein fremdes wölfisches Hoheitsgebiet, so wird ihm dies deutlich durch Urin- und Kotmarkierungen an strategisch wichtigen Punkten: Eine Losung mitten auf der Wegkreuzung bedeutet: Hier jagen wir! Auch das Heulen der Wölfe dient u. A. zur Revierabgrenzung. Hält sich der junge Wolf trotzdem im fremden Wolfsgebiet auf, so wird er harsch vertrieben. In Brandenburg lebt ein Rudel in einem 240 – 320 Quadratkilometer großen Gebiet – die Größe des Territoriums ist jedoch grundsätzlich abhängig vom Nahrungsangebot.
Hat sich nun ein Paar in einem eigenen Territorium glücklicherweise gefunden, so verbringen Wölfin und Rüde viel Zeit miteinander. Immer wieder berühren sie sich mit der Schnauze, um sich ihrer zu vergewissern.
Im Gegensatz zu Hündinnen sind Wölfinnen nur einmal im Jahr läufig und Ende April ist es meist soweit: Nach einer Tragezeit von 63 Tagen werden - meist im Schutze einer Erdhöhle - vier bis acht noch schwarze Welpen geboren, die sich leise winseln auf die Suche nach Milch begeben.
Foto: (c) by Markus Walti, www.pixelio.de
Sie wiegen nach der Geburt nur ein paar Hundert Gramm und ihre Augen sind noch völlig geschlossen. Die Wölfin widmet sich in der ersten Zeit völlig ihrem Nachwuchs und wird von ihrem Gefährten und vom älteren Nachwuchs mit Fleisch versorgt. Nach zwei Wochen öffnen die Kleinen ihre Augen, nach etwa drei Wochen verlassen sie erstmals unter Anteilnahme des gesamten Rudels die Höhle.
Alle Rudelmitglieder beteiligen sich an der Erziehung und Aufzucht des Nachwuchses. Spielerisch trainieren die Jungen im Rudelverband ihre sozialen, jagdtechnischen und kämpferischen Fähigkeiten. Sie lernen alles, was sie für ihr späteres Leben benötigen.
Mit etwa sechs Wochen gehen die Jungen auf erste Erkundungstouren und haben ihre Nahrung weitgehend auf Fleisch umgestellt. Eine schnelle Entwicklung ist wichtig, denn sie müssen ihren Eltern auf lange Wanderungen durch das Revier folgen und lernen, sich selbst mit Fleisch zu versorgen. Ein Wolf benötigt im Durchschnitt vier Kilo Fleisch täglich. Bei uns sind vor allem Rehe, auch Wildschweine und Rothirsche seine Hauptnahrung.
Und dies zu beschaffen, ist nicht immer einfach – vor allem in den Wintermonaten Januar und Februar. Zum einen ist Paarungszeit und die sind Tiere entsprechend abgelenkt und zum anderen wird die Nahrungssuche an sich schwieriger. Denn das bei uns lebende Wild, vor allem Rehe, ist zwischenzeitlich herangewachsen und nicht mehr so leicht zu erbeuten.
Dabei scheint sich die Befürchtung, der Wildbestand könne zurückgehen, nicht zu bestätigen, doch das Beutewild wird aufmerksamer und wandert vermehrt. Und dies bedeutet auch eine Umstellung von Jagdgewohnheiten für die Jäger.
Wölfe sind gute Langstreckenläufer, die auch gut sprinten. Sie können bis zu 50 Km/h schnell sein und in einer Nacht leicht 60 km zurücklegen. Obwohl sie soviel unterwegs sind, sind sie jedoch selten anzutreffen. Denn die scheuen Wölfe weichen dem Menschen in der Regel aus und zudem sind sie meist früh morgens oder spät abends unterwegs. Deshalb bekommt kaum jemand einen Wolf zu Gesicht. Doch natürlich hinterlassen sie ihre Spuren. Eine Wolfsfährte an sich ist von einer Hundefährte nicht leicht zu unterscheiden. Unterschiede gibt es jedoch hinsichtlich Gangart und Spurverlauf. Der Wolf bewegt sich perlschnurartig, die Hinterpfote tritt dabei in die Spur der Vorderpfote. Zudem bewegt sich der Wolf Kräfte sparend und zielorientiert auf einer geraden Linie.
Langsam erweitern Wölfe – sofern man sie lässt - ihren Lebensraum, unter reger Teilnahme der Bevölkerung. Und hierzu sind die Anschauungen noch recht unterschiedlich. Einerseits entwickelt sich ein regelrechter Wolfstourismus, der sich aus ökonomischer Sicht positiv für einen mit Wölfen besiedelten Landstrich auswirkt.
Für zunehmend mehr Menschen, wird der Wolf zum Symbol für intakte Natur und Freiheit. Denn der Wolf kann beitragen zu einem intakten Ökosystem. Der Naturschutzbund Deutschland NABU setzt sich deshalb dafür ein, das Wildtier Wolf in Deutschland wieder stärker heimisch werden zu lassen.
Andererseits begegnen viele Menschen dem Wildtier Wolf weiterhin mit Angst und Vorurteilen. Dabei meidet es den Menschen nach Möglichkeit – gehört dieser einfach nicht in sein Beutespektrum. Allerdings unterscheiden Wölfe nicht immer zwischen Wild und Haustieren. In Einzelfällen kann es dazu kommen, dass ein Wolf ein Schaf reißt. Deshalb benötigen Tierhalter in mit Wölfen besiedelten Gebieten schützende Maßnahmen wie Elektrozäune oder/und Herdenschutzhunde.
Dies sind, häufig im Gegensatz zu den leichten und wendigen Weidewachhunden, große und kräftige Hunde (z. B. den Tatra-Schäferhund, den Pyrenäen-Berghund und den italienischen Bergamasker Hirtenhund) mit einer Schulterhöhe zwischen 65 cm bis 85 cm, die für den Schutz und die Verteidigung der ihnen anvertrauten Tiere, oft Schafe oder Ziegen, gezüchtet werden.
Häufig leben sie von klein auf mit ihren Schützlingen zusammen und entwickeln deshalb eine enge Bindung an sie. Sie werden für ihre spezielle Aufgabe gezüchtet, erzogen und trainiert. Aber auch die Elektrozäune (5000 Volt, Impulsenergie 5 Joule) haben sich als Wolfsschutz bewährt.
Sie müssen die Herde von allen Seiten umschließen und sollten einen sehr geringen Abstand zum Boden haben, da Wölfe Hindernisse gerne untergraben. Die ca. 1m hohen Euronetzzäune haben sich bewährt, jedoch sollten diese – da Wölfe recht gut springen können, durch eine zusätzlich gespannte weiße Breitbandlitze in ca. 130 cm Höhe ergänzt werden. Sollte es jedoch einem Wolf gelingen ein Schaf oder eine Ziege zu erbeuten, so erhält er eine Entschädigung. Ein gutes Wolfsmanagement, ausgedrückt durch klar geregelte Entschädigungen und Förderungen von Schutzmaßnahmen wird deshalb mit der zunehmenden Verbreitung des Wolfs in Deutschland - und auch über die Grenzen hinaus - zunehmend wichtig werden.